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Veröffentlichung im Modell-Aviator, Heft 02/12

Aviator - Wissen
Tipps zum Winterfliegen

in der Modellflug-Zeitschrift
Heft Februar 2012 , Seiten 118 - 120

Weiße Pracht

Modellfliegen im Winter


Sobald die letzten schönen Herbsttage dem Winterwetter gewichen sind, wird es ruhig auf den Modellflugplätzen. Nur wenige Verwegene schauen kurz vorbei, um sich bei einem Flug mit ihrem Modell eine kalte Nase zu holen. Die Situation ändert sich schlagartig, sobald eine geschlossene Schneedecke den Flugplatz bedeckt und für eine gänzlich andere Atmosphäre sorgt. Suggeriert blauer Himmel und schwacher Wind dann noch ein angenehmes Temperaturempfinden, juckt es auch den Saison-Abstinenzlern wieder in den Fingern und der Sender wird nachgeladen. Allerdings sollte ein kritischer Blick in den Hangar dem Aufbruch in die verschneite Winterlandschaft vorausgehen, denn längst nicht jedes Modell ist für den Schneeeinsatz geeignet.

Oberflächlich

Schneepisten weisen witterungsbedingt völlig unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheiten von extrem pulverig bis stark verharscht auf. Entsprechend den bestehenden Verhältnissen eröffnen sich mannigfaltige Möglichkeiten. So lassen sich selbst Modelle mit einem Räderfahrwerk ohne winterspezifische Anpassung problemlos auf stark verharschten Untergründen einsetzen, solange die Tragfähigkeit der Harschdecke dem Gewicht des Fliegers standhält und die Räder bei der Landung nicht einsinken. Weichere Oberflächen erfordern eine Ergänzung des Fahrwerks um passend dimensionierte Kufen, wobei hier einige Besonderheiten zu beachten sind. Eine Montage im richtigen Winkel sowie eine gewisse Flexibilität zum Ausgleich von Bodenunebenheiten sind ebenso notwendig wie das Verhindern einer im schlimmsten Fall asymmetrischen Verkantung während des Fluges.
 

Abb. 1: Die Skier sind am Hauptfahrwerk befestigt und durch eine weitere Strebe gegen den Rumpf starr abgefangen. Die Rumpfachse des Modells verläuft im Stand parallel zum Boden und die Skier behalten ihre Ausrichtung auch im Flug mit einer leichten Tendenz von maximal 1 Grad nach oben. Diese Befestigungsart beeinträchtigt die aerodynamischen Eigenschaften kaum und erlaubt selbst Kunstflug.
Abb. 2: Bei Zweibeinfahrwerken kann eine starre Abstrebung zum Rumpf unerwünscht sein. Besonders naturgetreue Modelle sollen im Stand mit dem Heck den Boden berühren. Während des Startvorgangs müssen die Skier dann eine parallele Ausrichtung zum Rumpf einnehmen und nach dem Abheben dürfen sie mit einem Winkel von maximal 10 Grad nach oben zeigen. Voraussetzung hierfür ist eine bewegliche Lagerung am Hauptfahrwerk und ein Federmechanismus, der weich genug ist, um den Skiern die nötige Bewegungsfreiheit zu gewähren, aber auch stark genug, um die Skier während des Fluges sicher in der angestellten Position zu halten. Eine mechanisch recht anspruchsvolle Aufgabe und zudem nur für Flüge in Normalfluglage empfehlenswert.
Abb. 3: Das sollte auf keinen Fall passieren! Beide oder gar nur ein Ski nehmen während des Fluges eine nach unten gerichtete Ausrichtung an. Die negative Auswirkung auf die aerodynamische Gesamtsituation des Modells kann gravierend sein und sogar zum Absturz führen.
Stehen kurzfristig keine Fertigprodukte zur Verfügung, muss die Skiproduktion in Eigenregie erfolgen. Als Material kommt leicht zu verformendes Aluminium, unter Wärmeeinwirkung verformbarer Kunststoff oder Sperrholz in Frage, das unter Einwirkung von Feuchtigkeit in die klassische Ski-Form gebracht wird. Während sich je nach handwerklichem Geschick schnell ein brauchbares Paar erstellen lässt, kann die korrekte Befestigung eine durchaus zeitaufwändige Bastelaktion nach sich ziehen. Die Umsetzung der Anforderungen hängt stark von den Gegebenheiten am gewählten Modell ab und bedingt mitunter eine gewisse Vorlaufzeit sowie eine sachgerechte Planung. Im günstigsten Fall erfolgt die Befestigung am bestehenden Räderfahrwerk mit einer weiteren Abstrebung gegen die Rumpfunterseite, was bei ausreichender Stabilität der Bodenplatte zumeist nur eine zusätzliche Bohrung erfordert.

Bäuchlings

Für beinahe jede Schneedecke optimal geeignet sind Modelle ohne Fahrwerk mit breitem Rumpf, deren Propeller bei aufliegendem Rumpfboden frei rotieren können. Hier entwickeln einfache Segler mit Motoraufsatz und mehrmotorige Hochdecker ungeahnte Qualitäten. Je nach Reibungswiderstand des Untergrunds reicht bereits eine geringe Motorleistung für eine Vorwärtsbewegung. Bei tiefem Pulverschnee kann für das erste Anrutschen aber durchaus schon mal Vollgas benötigt werden. Einmal in Bewegung werden Modelle, die normalerweise nur per Handstart in die Luft zu befördern sind, plötzlich bodenstartfähig. Besondere Wintereignung zeigen waschechte Wasserflieger, für deren Einsatz jeder Schneeuntergrund perfekte Voraussetzungen bietet. Ihr extrem breiter Rumpfunterboden lässt sie in Verbindung mit stabilisierenden Hilfsschwimmern selbst in feinstem Pulverschnee kaum einsinken und auch vorhandene Spuren und Unebenheiten stellen keine nennenswerten Hindernisse dar.



Weitläufig

Unabhängig von der Breite des Unterbodens kann der ungewohnte Untergrund zu unerwarteten Schwierigkeiten bei der Landung führen. Besonders Modelle mit schmalem Rumpf tauchen in Pulverschnee selbst nach einem perfekten Anflug beim ersten Schneekontakt abrupt mit der Nase ein und erfahren so eine heftige Abbremsung. Im Gegensatz dazu kann das Aufsetzen auf verharschtem Untergrund eine extrem lange Rutschpartie nach sich ziehen. Das Fehlen einer wirksamen Bremse führt ebenso wie die geringe Wirksamkeit des Seitenruders schon mal zu ungewollten Kollisionen weitab vom eigentlichen Aufsetzpunkt.
Die nach heftigen Schneefällen nahezu glatte Oberfläche zugeschneiter Flächen verwandelt beinahe jeden Acker in ein perfektes Flugfeld. Natürlich sind vor der Aufnahme des Flugbetriebs die gesetzlichen und versicherungstechnischen Voraussetzungen zu beachten und auch die Billigung durch den Grundstückseigentümer sicherzustellen.

Frieseköttel

Modellflugzeuge und die in ihnen verbauten Elektronikkomponenten sind eigentlich für den Einsatz bei normalen Temperaturen konzipiert und stoßen bei tiefen Minusgraden schnell an ihre Grenzen. Besonders das Material des Rumpfes kann zu Problemen führen, denn einige Kunststoffe werden bereits bei einstelligen Temperaturwerten spröde und brechen bei der kleinsten Belastung. So kann selbst eine perfekte Landung einen kapitalen Schaden nach sich ziehen. Darüber hinaus wirkt sich der materialspezifische Ausdehnungskoeffizient negativ aus, denn die im Modell verbauten Werkstoffe ziehen sich bei Kälte zusammen, allerdings nicht in gleichem Maße. Diese Eigenschaft führt gerade bei Kunststoffrümpfen zu einem völlig vertrimmten Modell, da sich die Schrumpfrate der Rudergestänge von denen der Flugzeugzelle extrem stark unterscheiden kann. Besondere Wintereignung zeigen Modelle in Holzbauweise und solche aus Hartschaum.
Der Einsatz von Verbrennungsmotoren kann unter winterlichen Verhältnissen problemlos erfolgen. Doch am Ende des Einsatzes stellt die Reinigung der ölverschmierten Oberfläche ein Problem dar, wenn vergessen wurde, der Reinigungsflüssigkeit den nötigen Frostschutz beizumischen. Beim Einsatz von fahrwerklosen Elektromodellen sollten vor dem Start unbedingt all jene Kühlöffnungen verschlossen werden, die sich bei der Landung als Schneeschaufeln erweisen könnten. Unbemerkt eingedrungene Eispartikel schmelzen spätestens auf der Heimfahrt im warmen Auto und können nachhaltige Schäden an den empfindlichen Elektronikbauteilen anrichten. Natürlich ist vor der Unterbrechung der Lüftungswege zu prüfen, ob die Antriebskomponenten auch ohne Kühlung unterhalb der thermisch vertretbaren Grenzwerte bleiben.
Während hier also eine Überhitzung zu vermeiden ist, entstehen an anderer Stelle Probleme durch eine zu starke Unterkühlung. Viele RC-Komponenten versagen bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt ihren Dienst. Besonders der Temperaturbereich einiger Empfänger endet oft schon bei minus 10 Grad. Hier sind unbedingt die Angaben der Gerätehersteller zu beachten. Weiterhin schränken Minusgrade die Leistungsfähigkeit von Lipo-Zellen deutlich ein. Dieser Aspekt tritt aber in erster Linie während des Starts in Erscheinung. Unter Dauerlast produzieren sie während des Fluges wertvolle Wärme, die das Auskühlen des Rumpfinneren deutlich hinauszögert.

Spaßig

Modellfliegen unter außergewöhnlichen Bedingungen stellt immer einen besonderen Reiz dar und wird in winterlicher Umgebung zu einer echten Herausforderung. Da sind kalte Finger und Eisfüße schnell vergessen. Für einen Nachmittag im Schnee mit einem wintertauglichen Modell in klirrender Kälte auf dem Modellflugplatz ist aber nicht nur die passende Kleidung unerlässlich. Zwischen den Flügen hilft die Erwärmung von innen durch ein heißes Getränk. Der gesellige Teil mit Glühwein und Grog, das Apres Fly, darf allerdings erst beginnen, wenn das Modell bereits verstaut und ein Fahrer für den Heimweg gefunden ist. Winterfliegen ist was Feines, auch für Wintermuffel!

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