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Veröffentlichung im Modell-Aviator , Heft 02/14 , S. 84 - 87

Arbeitstiere - Impressionen von der InterGeo 2013


Bloß nichts vergessen. Das Modell steht im Kofferraum, Sender und Toolbox liegen daneben und auch die Antriebsakkus kommen frisch aus der Ladestation. Es kann losgehen, aber das ins Navi eingegebene Fahrtziel ist kein Modellflugplatz, sondern eine Baustelle. Und es ist auch nicht Sonntagnachmittag, sondern Montag früh. Es geht zur Arbeit.
Der mitgeführte, unbemannte Flugkörper (UAV) wird durch seine spezielle Ausrüstung zur professionell nutzbaren Trägerplattform und soll Aufgaben erledigen, die bisher nur mit großem Aufwand oder gar nicht zu bewältigen waren. Eine neue Industriesparte für zivile Anwendungen wächst unaufhaltsam heran. Dienstleister mit unterschiedlichen Angebotspaletten nutzen die technischen Möglichkeiten der UAVs und erschließen neue Märkte. Hard- und Software kommen von hochspezialisierten Unternehmen, die miniaturisierte High-Tech-Flugroboter zur Beförderung von Nutzlasten wie hochauflösende fotooptische Geräte oder Laserscanner entwickeln.

Satellitennavigation

Ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zum leistungsstarken UAV stellt die Verfügbarkeit zuverlässiger Autopiloten in Verbindung mit einer relativ genauen Positionsbestimmung per GPS dar. Die Realisierung einer autonomen Steuerung eröffnet prinzipiell sogar Betreibern mit geringer Flugerfahrung den Einsatz dieser vielversprechenden Technologie. Viele Anwendungsfälle erfordern für eine erfolgreiche Mission einen längeren Aufenthalt an einer bestimmten Position oder das präzise Abfliegen einer vordefinierten Route. Beide Aufgaben sind manuell selbst von erfahren Piloten vom Boden aus nur unzureichend zu bewältigen. Durch Nutzung spezieller Software, die auf Daten bestehender GIS-Systeme und GPS-Informationen zurückgreift, lassen sich Flugrouten und Flughöhen vorab menübasiert definieren und vom Fluggerät ohne weitere Eingriffe des Piloten exakt einhalten.

Sensibelchen

Für Vermessungsaufgaben stellt die fotogrammetrische Erfassung kleinräumiger Gebiete mittels Orthofotos (exakte Senkrechtaufnahmen) ein klassisches Einsatzgebiet dar. Selbst in einfachen Trägersystemen mit fest installierter Kamera sorgt ein mit der Bildebene der Kamera kalibriertes, sensibles Kreiselsystem ständig für eine hinreichend horizontale Ausrichtung der Aufnahmeebene während der Bildaufnahme. Wird ein Copter verwendet, besteht sogar die Möglichkeit, das UAV an vorbestimmten Routenpunkten während der Aufnahme kurzzeitig stationär schweben zu lassen, um Bewegungsunschärfe auszuschließen. Als Ergebnis entsteht eine hochauflösende Fotoserie mit einer vorgegebenen Bildüberdeckung, womit sich im Postprozessing digitale 3D-Geländemodelle generieren lassen.
Während der Einsätze von Drohnen muss der korrekte Ablauf der Mission durch einen Beobachter kontinuierlich überwacht werden. Eventuell erforderliche Bahnkorrekturen aufgrund unvorhergesehener Ereignisse oder auf Grundlage von direkt aus dem fliegenden Modell an die Basisstation zurückübertragenen Daten lassen sich durch simple Joystickbefehle unkompliziert durchführen. Die gewünschte Aktion wird im assistierten Flugmodus von der Elektronik im Modell korrekt interpretiert und in die passenden Steuerbefehle umgesetzt – ohne modellflugspezifisches Spezialwissen des Anwenders.



Typenvielfalt

Obwohl sich grundsätzlich Fluggeräte aller Sparten als Trägersysteme eignen, bietet der Copter für die meisten Anwendungen die scheinbar günstigsten Voraussetzungen. Entsprechend breit gefächert ist das Angebot. Besonders die mit vier Antriebsmotoren ausgestatteten Quadrocopter trumpfen für einfache Aufgaben, da sie mitsamt Nutzlast ebenso wie kleinere Hexacopter unter der magischen 5-Kilogramm-Marke betrieben werden können. Dies reduziert den nötigen bürokratischen Aufwand aufgrund der in Deutschland geltenden Regelungen für den Betrieb von UAVs erheblich. Leistungsstärkere Varianten sechsarmiger Trägersysteme bewegen sich ebenso wie die mit acht Auslegern konzipierten Octocopter jenseits dieser Gewichtsgrenze und erfordern vor der Inbetriebnahme besondere Aufstiegsgenehmigungen für jeden Einsatz. Klassische Modellhubschrauber scheinen für den professionellen Bereich weniger geeignet und kommen nur für die Beförderung besonders schwerer Nutzlasten in Betracht.
Die Bestückung von Flächenmodellen mit fotosensorischen Datenerfassungsgeräten bietet Vorteile bei Anwendungsfällen mit längeren Flugstrecken. Einige Anbieter setzen gezielt auf die Verwendung von Schaummaterial für die Flugzeugzelle. Das weiche und isolierende Material schützt die empfindliche Nutzlast relativ gut gegen äußere Einflüsse und steckt auch den rauen Betrieb ohne perfekte Landebahnen größtenteils schadlos weg. Kleinere Reparaturen oder der Einbau von Ersatzteilen sind oft direkt am Einsatzort möglich.

Risikoabschätzung

Obwohl die meisten Trägerplattformen über einen programmierten Notfallmodus (Failsafe) verfügen, verbleibt ein geringes Restrisiko durch massive Systemstörungen oder Systemausfälle. Rotierende Luftschrauben können dann besonders durch die horizontale Ausrichtung bei Multicoptern ebenso wie die großen Rotorkreise von Helikoptern zu Risikofaktoren für Personen werden, die sich im Aktionsgebiet aufhalten. Insbesondere im Bereich von Baustellen oder Filmsets kann nicht jeder Beteiligte das Fluggerät ständig im Blickfeld haben. Grundsätzlich muss daher beim Betrieb von Flugdrohnen eine Abschaltung der Automatismen mit manueller Fortsetzung des Flugs durch einen Piloten am Sender jederzeit möglich sein, was den ständigen Sichtkontakt an jeder Stelle der Flugroute zwingend erfordert. Automatisiert programmierte Flugrouten müssen unbedingt auf diesen Aspekt hin untersucht werden, bevor die Mission gestartet werden kann.
Darüber hinaus sollte sichergestellt sein, dass der Pilot auch genügend Flugerfahrung besitzt, um ein nicht planmäßig agierendes UAV in Ausnahmesituationen sicher zu beherrschen. Leider wird von vielen Anbietern dieser Aspekt recht stiefmütterlich behandelt. Es bleibt fraglich, ob die in Verbindung mit dem System angebotene Flugschulung diesen Anspruch erfüllen kann. Möglicherweise erkennen einige Anwender früher oder später den Bedarf für flugerfahrene Piloten und eröffnen Modellfliegern mit entsprechender Routine ein neues Berufsfeld, das auch die nötige Systemwartung umfasst.

Kostenhürde

Das Preisniveau der für professionelle Anwendungen angebotenen Sets erscheint auf den ersten Blick recht hoch. Bereits eine Minidrohne in Form eines EPP-Nurflügels mit 100 cm Spannweite schlägt locker mit 10.000 Euro zu Buche. Ein Hexacopter taucht durchaus mit 40.000 Euro in den Preislisten auf und ein großer Hubschrauber mit dem entsprechenden Equipment belastet das Firmenbudget schon mal mit 300.000 Euro. In eine sinnvolle Preis-Leistungs-Bewertung muss neben dem reinen Trägermodell in erster Linie der Umfang und die Qualität der technischen Ausstattung einbezogen werden. Die in den Systemen eingesetzten Komponenten müssen dem rauen Betrieb auf Baustellen und unwegsamen Geländen gewachsen sein und kommen daher nicht von der Stange und auch nicht aus dem Billig-Segment. Zumeist finden sich unter den Abdeckungen speziell gefertigte Black-Box-Systeme, die alle zentralen Steuerelemente auf einer einzigen Platine beherbergen und so einen Großteil der störanfälligen Verkabelung vermeiden. Derartige Komponenten gehören derzeit im Modellbausektor noch nicht zum Standard und entstammen Produktionsserien mit kleinen Stückzahlen. Darüber hinaus wird zumeist mit dem Fluggerät auch die Aufhängung für die Nutzlast ausgeliefert, die je nach Anwendungsfall eine hochsensible Stabilisierungselektronik für eine präzise Lagerung in kardanischer Aufhängung beinhaltet. Softwareseitig muss ein mobil einsetzbares und auch schlechtwettergeeignetes Computersystem angebunden sein, das eine simple und umfassende Bearbeitung der Einsatzparameter am Einsatzort sowie die direkte Kommunikation mit dem UAV ermöglicht. Der doch recht umfangreiche Anforderungskatalog verdeutlicht, dass professionell einsetzbare Drohnen nur wenig mit dem Material gemeinsam haben, das auf unseren Modellflugplätzen auftaucht.

Zusammenfassung

Endlich ist es gelungen, den Modellflug in industriell nutzbaren Bereichen zu etablieren. Mit der Verfügbarkeit professionell einsetzbarer Drohnen lassen sich bestimmte Aufgaben besonders aus dem Film- und Vermessungssektor mit wesentlich geringerem Aufwand erledigen, als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Kostenintensive Einsätze bemannter Flugmissionen lassen sich zumindest für kleinräumig begrenzte Missionen ebenso vermeiden wie der durch terrestrische Verfahren erforderliche Aufwand.

Abkürzungen

UAV = Unmanned Aerial Vehicle
UAS = Unmanned Aircraft System
GPS = Global Positioning System
GIS = Geografisches Informationssystem

Exkurs - dreidimensionale Wahrnehmung


Fliegt das Modell vor oder hinter der Platzgrenze? Ohne dreidimensionales Sehvermögen ist das eine nur schwer zu beantwortende Frage, die ein Modellpilot im Landeanflug aber in Sekundenbruchteilen hinreichend genau einschätzen muss. In diesem Moment sind zwei scharfe Augen gefragt, denn Grundlage für eine dreidimensionale Wahrnehmung ist die gleichzeitige Betrachtung einer Situation aus zwei verschiedenen Perspektiven (binokular).
Die beiden gewonnenen Bilder zeigen exakt die gleiche Situation, unterscheiden sich aber ein klein wenig, da betrachtete Gegenstände in unterschiedlichen Entfernungen unter etwas anderen Blickwinkeln erscheinen. Die Parallaxe hängt in erster Linie von der tatsächlichen Entfernung des Gegenstands ab, da sich im Nahbereich stärkere parallaktische Winkel und Verschiebungen ergeben als für entferntere Punkte. Als weiterer Faktor spielt der Abstand zwischen den beiden Betrachtungspositionen eine wesentliche Rolle, also biologisch der Augenabstand und technisch der Aufnahmeabstand.
Unser Gehirn ist in der Lage, Differenzen von Betrachtungswinkeln verschiedener wahrgenommener Gegenstände auszuwerten und so eine Abschätzung für die Entfernung zum Gegenstand zu entwickeln. Dabei ist der genaue Wert der Strecke absolut nebensächlich. Er kann lediglich grob geschätzt und in das technisch verwendete Maßsystem übertragen werden. Entscheidend für die Wahrnehmung ist eher das Entfernungsverhältnis der betrachteten Gegenstände zueinander. Wir müssen für korrekte Handlungsentscheidungen wissen, was weiter vorne und was weiter hinten liegt und wie schnell sich die Entfernung ändert, um zum Beispiel Kollisionen zu verhindern. Hierzu vollbringt unser Gehirn eine wahre Meisterleistung, die technisch nur mit großem Aufwand und immenser Rechenleistung zu realisieren ist.

Anwendungen

Bis zur Einführung des 3D-Kinos waren dreidimensionale Techniken in erster Linie für vermessungstechnische Aufgaben von Bedeutung. Zur Erfassung von Geländeformen wird ein Gebiet in großer Höhe mit dem Flugzeug überflogen und in bestimmten Zeitabständen ein hochauflösendes Orthofoto von der Erdoberfläche gemacht. Der Pilot muss hierzu vorgegebene Bahnen exakt abfliegen und der Kameramann im richtigen Moment den Auslöser betätigen, damit auf den Fotos eine hinreichende Überlappung entsteht. Zu jedem Foto müssen zum Zeitpunkt der Auslösung bestimmte Werte festgehalten werden, die bei der späteren Auswertung zur Entzerrung und exakten Ausrichtung der Einzelbilder benötigt werden. In komplizierten optischen Geräten lässt sich dann ein dreidimensionales Bild von den überlappend abgebildeten Bereichen visualisieren und sogar messtechnisch auswerten, um Geländehöhen und Höhenlinien zu bestimmen.
Bei geringeren Anforderungen kann auch der technische Aufwand reduziert werden. Um ein einzelnes Bild dreidimensional darzustellen muss lediglich dafür gesorgt werden, dass die aus zwei Standpunkten gewonnenen Aufnahmen jeweils nur von einem Auge gesehen werden können. In Zeitschriften kommt hierzu häufig das Rot-Grün-Verfahren zur Anwendung. Die einzelnen Bilder werden entsprechend eingefärbt und übereinander abgedruckt. Zum Betrachten wird eine Brille mit colorierten Gläsern verwendet, so dass jeweils nur ein Bild von einem Auge wahrgenommen werden kann.

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