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Modell-Test: Der brandneue Experimental-Jet Viper von Jamara
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Der Testbericht über die Viper von Jamara ist im Modell-AVIATOR, Heft 10/08 veröffentlicht.
Der folgende Text stimmt nicht 100%ig mit der Zeitschrift überein, da der Verlag redaktionelle Änderungen vornehmen muss, um ihn in das vorgesehene Layout einzupassen.
Hier also die "Original-Version":
UFO-Sichtung
Experimental-Jet Viper von Jamara
Noch vor einiger Zeit war der Bereich des Experimental-Modellflugs nur einem kleinen Kreis querdenkender Enthusiasten vorbehalten, deren Modelle aufgrund ihrer außergewöhnlichen Konstruktionsmerkmale oft grenzwertige Flugeigenschaften aufwiesen. Der Einstieg in diese Klasse erforderte umfangreiches Know-how und war oft mit Fehlschlägen verbunden, denn sowohl konstruktiv als auch fliegerisch stellen Experimentalmodelle hohe Anforderungen.
Die ersten Fertigmodelle im Experimental-Segment mit ungewöhnlicher Flügelgeometrie waren kleine Hartschaum-Modelle mit Deltaflügeln, deren unkompliziertes Handling schnell zu einer explosionsartigen Verbreitung dieses Modelltyps führte. Ob Jamara mit der Viper einen neuen Meilenstein in dieser Klasse setzen kann, soll der folgende Test zeigen.
Unidentified Flying Object
Die Konstruktion der Viper kann nicht eindeutig typisiert werden. Während man in der Frontansicht deutlich einen Dreidecker erkennt, offenbart sich dem kundigen Experimental-Modellflieger in der Heckansicht ein stark elliptischer Ringflügler mit Vorflügel. In der Draufsicht indes könnte man von einer Doppeldecker-Ente mit stark gepfeiltem, überdimensionalem Vorflügel reden. Der Antrieb mit einem kleinen, in den Rumpf integrierten Impeller verleiht dem Ganzen dann den Jet-Status. Alles zusammen ergibt eine futuristisch anmutende Silhouette, die ein interessantes Flugbild erwarten lässt.
Das RTF-Set
Das mit einer Spannweite von 63 cm und einer Länge von 66,5 cm recht kleine, dafür aber reichlich kompakt wirkende Modell wird komplett montiert in einem riesigen Karton geliefert, der allen enthaltenen Komponenten perfekten Schutz gegen Transportschäden bietet. Die Aufmachung des Kartons verspricht einen leicht zu fliegenden, sogar anfängertauglichen Flieger, der über „explosive, sky-shredding Speed, reaching neck-breaking scale speed of 400 mph, explosive Distance up to 300 yards, explosive Tricks and aggressive aerobatic“ verfügt. Auch, wenn man kein Experte für die englische Sprache ist, hier deutet alles auf krachende Leistung hin!
Mit Spannung wir der Karton geöffnet. Es präsentiert sich ein bis ins Detail komplettes Set. Sogar ein Fähnchen für die Senderantenne liegt bei. Die mitgelieferte Flug-Simulator-CD (FMS) und das passende USB-Adapter-Kabel lassen tatsächlich den Eindruck entstehen, das Modell sei für den Modellflug-Einsteiger konzipiert. Indes wird die Viper auf der Homepage von Jamara als „Herausforderung für den fortgeschrittenen Modellpiloten“ klassifiziert. Für den Zusammenbau sind jedenfalls keine Vorkenntnisse im Modellbau erforderlich, denn bis auf das Anschrauben der Winglets und die optionale Installation des Fahrwerks fallen keine weiteren Montagearbeiten an. Umso mehr sollte eine gründliche Kontrolle vor dem ersten Start erfolgen, da das Modell nicht eingeflogen ist.
Die Technik
Die in der Viper installierte Technik umfasst neben einem 6-Kanal-Empfänger drei fest eingeklebte Micro-Servos sowie einen bereits verdrahteten Regler mit BEC. Dieser ist genau wie der mit einem Brushless-Motor versehene Impeller nur schwer zugänglich in der Micropor-Zelle untergebracht. Gespeist wird der Antrieb aus einem 3-zelligen Lipo-Akku mit 1300 mAh, der über einen kräftig dimensionierten Hochstromstecker verfügt und in einem Fach in der Rumpfnase seinen Platz findet. Geladen wird mit dem beiliegenden, auch für 2 Zellen geeigneten, regelbaren (!) Ladegerät über die Balancer-Stecker. Es können Ladeströme von 0,3 bis 1 Ampere eingestellt und die empfindlichen Lipos so in jedem Ladezustand artgerecht behandelt werden. Da sich die Anzeige jedoch auf eine rot/grüne LED zur Signalisierung des Ladevorgangs und der Vollkennung beschränkt, fällt die Stromwahl eher Pi-mal-Daumen aus.
Der beiliegende 4-Kanal-Sender arbeitet im 35-Mhz-Band und wird, wie bei den meisten RTF-Sets üblich, in der Mode-2-Version ausgeliefert. Somit liegt die Motorregelung auf dem linken Steuergeber, Höhe und Quer werden mit dem rechten Kreuzknüppel gesteuert. Die für die Viper erforderliche Delta-Mischung arbeitet linear und ist senderseitig fest integriert. Leider wird dadurch die Verwendbarkeit des beiliegenden Flugsimulators stark eingeschränkt, denn dieser benötigt ungemischte Signale für die hinterlegten Modelle.
Eine Veränderung der Steuergeber-Belegung im Sender ist prinzipiell möglich. Allerdings muss hierfür im Senderinneren umgestöpselt werden, da entsprechende Schalter fehlen. Die verdeckte Lage der Steckplätze erfordert die Demontage der Senderplatine. Nach einem Umbau waren die voreingestellten Ruderausschläge von ca. +/- 9 mm auf Höhe und Quer asymmetrisch und signifikant verändert. Offensichtlich ist auf dem linken Knüppel eine Steuerwegbegrenzung für den Servoweg des Bugradservos vorgegeben.
Die auf dem Karton angegebene Bereichsangabe „flies up to 300 yards“ lässt auf eine Reichweitenbegrenzung schließen, welche durch die auf der Homepage von Art-Tech für den Empfänger hinterlegten technischen Daten bestätigt wird. Hier wollte der Autor besser kein Risiko eingehen und tauschte den Empfänger gegen ein bewährtes Exemplar aus. Die Verwendung des eigenen Senders ermöglichte mittels Steuerwegumschaltung und Expo-Funktion die Programmierung einiger Vorsorgemaßnahmen für den Erstflug, die sich später jedoch als unnötig herausstellen sollten. Zur Steigerung der Rückstellgenauigkeit von ca. 1 mm wurden an die für die filigranen Ruderhebel etwas zu breit gekröpften Rudergestänge Sicherungsclips an den Servo-Abtriebshebeln aufgesetzt.
Das Modellgewicht liegt mit 550 Gramm etwas über der Angabe der im Übrigen recht knapp gefassten Montageanleitung. Diese beinhaltet in erster Linie die üblichen Sicherheitshinweise, Konformitätserklärungen und Hinweise zur Behandlung von Lithium-Akkus. Die Fertigstellung des Modells ist auf 2 Seiten mit 10 Abbildungen und ein wenig Text schnell abgehandelt. Aber im Fall der Viper ist das durchaus ausreichend. Die Schwerpunktvorgabe lässt einen Spielraum von 2 cm zu. Eine Überprüfung zeigte, dass der Schwerpunkt sogar noch 1 cm weiter vorne lag, was für den Erstflug unverändert belassen wurde.
Die Zelle
Bei der Untersuchung der Flugzeugzelle aus Micropor sorgte einzig der aus großflächigen Aufklebern bestehende Dekorsatz für Bedenken. Bei den konvex und konkav gewölbten Oberflächen der Viper geht es nicht ohne Falten, Blasen und abgelöste Kanten. Dies kann in sensiblen Bereichen wie den Nasenleisten zu Problemen führen, weshalb hier mit Scotchband großflächig nachgebessert wurde. An anderen Stellen wurde die Folie ein Stück eingeschnitten, um stärkere Blasen und Falten zu beseitigen. Auf das Fahrwerk wurde trotz geplantem Handstart auf einer Rasenpiste nicht verzichtet, da die Winglets so besser geschützt erscheinen. Für die Sicherung des Hauptfahrwerks gegen Verlust wurde noch ein kleines Schräubchen eingedreht.
Wegen des ungewöhnlichen Materials verdient die aus Vollgummi bestehende Rumpfnase einer besonderen Erwähnung. Wahrscheinlich macht fehlendes Gewicht im Nasenbereich diesen ungewöhnlichen Werkstoff erforderlich. Ob das Material brachiale Abstürze einer Knautschzone gleich mildert, sollte nicht getestet werden. Die filigranen Getriebe der aus dem Shockflyer-Segment entliehenen 6-Gramm-Servos für die Flächenruder dürften den resultierenden Schock-Belastungen jedenfalls nicht lange standhalten. Die Micropor-Zelle hingegen hinterlässt einen beinahe unzerstörbaren Eindruck.
Der Praxistest
Der Lipo-Akku wird in teilgeladenem Zustand ausgeliefert. Als Hinweis auf eine Qualitätskontrolle sind die aktuellen Zellspannungen der einzelnen Zellen aufgeführt. Eine Angabe der Belastungsgrenze hingegen fehlt. Für einen Komponentencheck und Einstellungsarbeiten reicht der Ladezustand aus. Für den Erstflug ist der Akku noch an das Ladegerät zu hängen. Der Ladestrom wurde hierzu mit dem Regler auf 2/3-Leistung eingestellt. So ging es zum Flugfeld.
Bei optimalen Witterungsbedingungen wurde die Viper mit einem kräftigen Wurf ihrem Element übergeben. Der Impeller liefert den für einen sicheren Handstart notwendigen Schub und beschleunigte das Modell problemlos. Die erzielte Höchstgeschwindigkeit und die Steigrate blieben dann aber etwas hinter den Erwartungen zurück. Dies ist allerdings bei dem Stirnwiderstand der drei Flügel und den materialbedingt relativ dicken Endkanten keine Überraschung. Der Tendenz zum Wegsteigen bei Vollgas wurde mit voller Tiefentrimmung und leichtem Andrücken begegnet. Die Trimmung um die Längsachse musste nur leicht korrigiert werden. Der Sound des hoch drehenden Impellers wird durch den Micropormantel und den sauber laufenden Rotor als recht erträglich empfunden.
Die Ruderausschläge sind passend eingestellt, wobei das Querruder aufgrund der ungleichen Rollrate noch etwas größere Ausschläge auf Links erhalten sollte. Um für die erste Landung gewappnet zu sein, musste noch das Flugverhalten bei Halbgas getestet werden. Die Viper liegt bei verringerter Geschwindigkeit absolut sauber in der Luft und zeigt auch im Langsamflug keine Abrisstendenzen. So gestaltete sich die erste Landung völlig unproblematisch. Das Flugverhalten erfordert tatsächlich keine Experten-Kenntnisse, dürfte aber einen unbedarften Anfänger dennoch überfordern.
Beim zweiten Flug wurden zuerst tiefe, langsame Vorbeiflüge für den Fotografen ausgeführt. Dieser hatte trotz Schleichfahrt Mühe, den kleinen Jet einzufangen. Dann sollte noch ein wenig mit Top-Speed gejettet werden. Es zeigte sich deutlich, dass auch in Sturzflügen ab einer bestimmten Grenze kein Geschwindigkeitszuwachs mehr zu verzeichnen ist. In steilen Aufwärtspassagen wird die Fahrt rasant abgebaut. Da wundert es kaum, dass Loopings nicht zur Paradedisziplin der Viper gehören.
Viel zu schnell verging die Zeit und so wurde eher unfreiwillig die Sicherheitsabschaltung des Reglers und das Gleitflugverhalten der Viper getestet. Die Abschaltung des Antriebs erfolgt ohne besondere Vorwarnung. Um den Akku nicht übermäßig zu strapazieren, wurde der Motor nicht mehr aktiviert und eine Landung im reinen Gleitflug ausgeführt. Hierzu sollte eine ausreichende Ausgangshöhe vorhanden sein und das Landefeld zügig angesteuert werden, da der Gleitwinkel keine ausgedehnten Anflüge zulässt.
Der Akkublock wird in dem engen Akkuschacht kaum gekühlt und weist nach einem ausgiebigen Flug eine relativ hohe Temperatur auf. Die Zellen haben nach der Abschaltung eine Spannung von etwas über 3 Volt und können nach der Abkühlphase mit dem beiliegenden Ladegerät bei voller Leistung in gut 90 Minuten wieder befüllt werden. Hierzu ist nicht unbedingt ein Netzanschluss erforderlich. Da das Ladegerät eine Eingangsspannung von 12 Volt benötigt, kann mit einem in Eigenregie erstellten Verbindungskabel das Ganze auch aus der Autobatterie gespeist werden.
Experimente
Bei den folgenden Flügen wurde durch Anbringen von Trimmblei der Schwerpunkt schrittweise nach vorn verlagert. Ziel sollte die Unterbindung des Wegsteigens bei Vollgas und das Erreichen einer neutralen Ruderposition im Horizontalflug sein. Der so erflogene Schwerpunkt liegt 290 - 295 mm hinter der Rumpfspitze und damit deutlich vor der Angabe der Betriebsanleitung. Der kurze Hebelarm erfordert knapp 10 Gramm Blei für eine Schwerpunktverschiebung von ungefähr 3 mm, weshalb das Abfluggewicht letztlich auf beinahe 600 Gramm anwuchs. Ob sich dieses Mehrgewicht lohnt, bleibt dahingestellt, denn die Viper ist auch mit dem Ausgangsschwerpunkt völlig unkritisch und immerhin 10% leichter.
Die Versuche lassen den Verdacht aufkommen, dass bei der Auslegung der Viper weniger das Schnellflugverhalten sondern mehr die unkritischen Flugeigenschaften im Vordergrund standen. Für experimentierfreudige Geister bietet dies eine gute Ausgangsbasis für weitere Forschungen. Um Raum für eigene Ideen zu lassen, wird an dieser Stelle aber nicht mehr verraten!
Fazit
Die breite Palette der auf dem Markt verfügbaren Hartschaum-Fertigmodelle wird mit der Viper von Jamara um einen echten Hingucker bereichert. Die außergewöhnliche Konstruktion lenkt die Blicke auf sich, da etwas Vergleichbares auf den meisten Modellflugplätzen sicherlich noch nie zu sehen war. Man sollte allerdings nicht mit den auf dem Karton versprochenen, exorbitanten Flugleistungen prahlen, denn denen wird die Viper in der Luft dann doch nicht gerecht. Dafür besticht sie durch ein extravagantes Flugbild und gutmütige Flugeigenschaften ohne Tücken. Eine lohnenswerte Investition für jeden, der etwas Besonderes sucht oder den Einstieg in den Experimentalflug-Sektor plant.
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