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Experimentalmodell AERODYNE II - Bericht in FMT 8/93
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Auszeichnung für den experimentellsten Flug auf der Interex ´92
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Gewinner des Pokals für die originellste Lösung auf der Interex ´93
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Wie ein Ring fliegen lernt
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Die Aerodyne II ist sicherlich ein Experimental-Modell, bei dem
die Zugehörigkeit zu dieser Sparte am wenigsten umstritten ist.
Während Nurflügel- oder Entenmodelle schon von fast jedem Hersteller
als Baukasten angeboten werden und auch größtenteils sicher fliegen waren
sich selbst die meisten Experten sicher, das dieses Gerät nicht fliegen kann, weil...
Dieses war jedenfalls der einheitliche Tenor, als die Aerodyne II zum ersten Mal auf der
Interex 1992 in Coesfeld aus dem Auto geholt wurde. Was keiner wusste war, dass die
Flugtauglichkeit der Aerodyne II schon längst getestet worden war und daher einer
Flugvorführung mit Gelassenheit entgegengesehen werden konnte. Jede Wette, sie fliegt!
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Spannweite |
47
cm |
Ringdurchmesser |
25
cm (innen) |
Länge |
98,5
cm |
Startgewicht |
880
g |
Motorisierung |
1,7
ccm |
RC |
Höhe/Quer
(gemischt), Motor |
Ringflügler
Flugmodelle, die technische oder
konstruktive Besonderheiten aufweisen,
gehören in die Sparte der
Experimentalmodelle. Dabei ist nicht
genau definiert, wie
"ungewöhnlich" eine
Konstruktion zu sein hat, um dieser
Klasse zugerechnet werden zu können. Auf
jeden Fall sollte ein derartiges Modell
den Reiz eines echten Experiments bieten,
dessen Ausgang bis zur letzten Sekunde
ungewiß bleibt. Einer solchen
Anforderung kann eigentlich nur ein
wirklich außergewöhnliches Flugzeug
entsprechen, das nicht schon zur
Tagesordnung am Modellflughimmel zählt!
Eine sowohl in der Groß- als auch in der
Modellfliegerei sehr selten verwendete
Bauweise ist der Ringflügler, bei dem
zwei Typen zu unterscheiden sind:
1) der als horizontaler Kreis
ausgebildete Flügel und
2) der im Vertikalen einen Kreis bildende
Flügel.
Das zuletzt genannte Prinzip ist
zumindest einmal bei einem Original
angewendet worden: dem 1959 von der Firma
SNECMA gebauten und erprobten
COLÉOPTÉRE. Dieses Flugzeug war einer
der ersten Versuche zur Entwicklung eines
Senkrechtstarters.
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Der COLÉOPTÉRE hatte
etwas raketenähnliches, denn er startete
und landete mit vertikal nach oben
zeigendem Rumpf, stand also auf der
Flügelhinterkante. Die hohe
Schubleistung, die für einen senkrechten
Start benötigt wurde, bezog man jedoch
nicht aus einem Raketen-, sondern aus
einem Düsentriebwerk. Da Unterlagen
über derart außergewöhnliche
Konstruktionen nur selten veröffentlicht
werden, läßt sich nur vermuten, dass
kein weiteres Flugzeug mit dieser
Flügelform je gebaut worden ist; ein
Modell schon! Es handelt sich um die
AERODYNE, von der über FMT ein Bauplan
(MT 404) zu beziehen ist.
An dieser Stelle soll auf keinen Fall
unerwähnt bleiben, dass über FMT auch
ein Bauplan des
anderen Ringflügel-Typs
zu bekommen ist
(MT 763)!
Der Bauplan MT 404
Auf dem Plan wird die AERODYNE als ein
"flügelloses Freiflugmodell in
Entenauslegung" bezeichnet, das nach
der Bauanleitung aus den drei Hauptteilen
vorderes Leitwerk, zentraler Rumpf und
Ringflügel besteht. Flügellos ja oder
nein, das ist hier die Frage, die sich
aber bitte der kritische Betrachter
selbst beantworten möge!
Nach einer Einteilung der
Experimentalmodelle in verschiedene
Kategorien wird dieser Flugzeugtyp unter
der Rubrik
"Mantelschraubenantrieb"
geführt.
Der DIN A1-Bauplan ist teilweise im
Maßstab 1:1, teilweise in M 1:2,5
ausgearbeitet. Die Angaben für die
Herstellung des Gummimotors mit zwei
gegenläufigen Propellern sind sehr
ausführlich, mit den zur Erstellung des
eigentlichen Modells nötigen Angaben
wird jedoch recht sparsam umgegangen.
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Da der Nachbau auf jeden Fall ein
ferngesteuertes Modell werden sollte, war
von Anfang an klar, dass die angegebene
Gewichtsvorgabe von 180 g (für die
Freiflugvariante) unmöglich eingehalten
werden konnte. Eine erste überschlägige
Abschätzung ergab ein Abfluggewicht von
ca. 600 - 700 g, so dass ernsthafte
Bedenken bestanden, ob der vom Modell zu
erwartende Auftrieb reichen würde. Ein
weiteres Problem stellte die Wahl des
Antriebs dar. Da in dem Bauplan zwei
gegenläufige Propeller vorgesehen waren,
schien u.U. ein Drehmomentausgleich
erforderlich zu werden. Dies bedeutete im
Extremfall den Einsatz von zwei Motoren,
weshalb zuerst 400er-Elektromotoren
eingeplant wurden. Aus Gewichtsgründen
sollte der erste Flugversuch jedoch mit
nur einem Motor erfolgen. Eine weitere,
theoretisch schwierig zu klärende Frage
war die der Steuerbarkeit. Normalerweise
erfolgt die Steuerung von Entenmodellen
über das vordere Leitwerk als
Höhenruder und im Flügel befindliche
Querruder. Da bei der AERODYNE
wahrscheinlich aus
Stabilisierungsgründen ein V-Leitwerk
eingesetzt wird und kaum
Trägheitsmomente um die Längsachse zu
erwarten waren, sollte eine Ansteuerung
des vorderen Leitwerkes als normales
V-Leitwerk (Höhe/Seite gemischt)
erfolgen. Vorsichtshalber wurde aber auch
eine Möglichkeit der Anlenkung der
hinteren Stabilisierungsflossen
vorgesehen, was sich später als sehr
nützlich erweisen sollte.
Der Bau
Der Ringflügel wurde entsprechend den
Angaben des Bauplans und ähnlich wie in
der Bauanleitung beschrieben um einen
runden Klotz aus Styropor herum gebaut,
der nach dem Trocknen der Klebestellen
entfernt werden konnte. Die Rumpfform
wurde gegenüber der Vorgabe, die einen
einfachen Kastenrumpf vorsieht,
vollkommen geändert. Um den zu
erreichenden Auftrieb zu erhöhen, kam
ein breiterer Rumpfquerschnitt in
Betracht, der zudem noch optisch
ansprechend sein sollte. Aufgrund der
nötigen, extrem leichten Bauweise war
keine besonders hohe Stabilität der
Zelle zu erwarten, so dass der gesamte
Rumpf um ein GFK-Rohr herum gebaut wurde,
das alle Teile der Empfangsanlage, den
Motor sowie die Antriebsakkus aufnehmen
sollte. Das vordere Leitwerk wurde als
einziges Teil "herkömmlich"
aufgebaut. Ein besonderes Problem
bezüglich des Leitwerks stellte die Wahl
des Anstellwinkels dar, der leider in den
Bauunterlagen nicht angegeben ist. Da
keine Erfahrung mit Entenmodellen
vorhanden war, wurden a-priori 2ø
angenommen, wobei das Leitwerk abnehmbar
bleiben sollte, um so den Anstellwinkel
während der Flugerprobung eventuell
verändern zu können.
Der Zusammenbau der Einzelkomponenten
erforderte einiges Umdenken, da die von
herkömmlichen Modellen bekannten
Methoden des Ausmessens nicht angewendet
werden konnten; stattdessen war Augenmaß
gefragt. Nach dem Trocknen des Klebers
folgte ein letzter Versuch einer
meßtechnischen Kontrolle, welche die
geplanten Sollmaße im Rahmen der
zumutbaren Toleranzen ergab. Damit war
der Rohbau fertiggestellt und es konnte
mit der Bespannung begonnen werden. Auch
hierbei war eine herkömmliche
Arbeitsweise nicht möglich, da der
Ringflügel sphärisch gewölbte konvexe
und konkave Flächen aufweist, weshalb
sich im Inneren des Ringes das
Bespannpapier ständig löste.
Die Flugerprobung
Voller Spannung ging es nach der
Fertigstellung auf das
"Testgelände", wo die AERODYNE
mit einem kräftigen Wurf und voller
Motorleistung ihrem Element übergeben
wurde. Das Modell stieg sofort gerade
nach oben weg und zeigte trotz des
einmotorigen Antriebs keine Tendenz zum
Ausbrechen nach rechts. Allerdings waren
auch keine Reaktionen auf irgendwelche
Steuerbefehle feststellbar, so dass der
Steigflug in ca. 5 m Höhe beendet war
und ein steiler Sinkflug erfolgte, bei
dem das Modell seine Fluglage jedoch kaum
änderte; die Rumpfspitze zeigte stetig
nach oben. Das Ergebnis war ernüchternd:
ein 20 m weiter "Hüpfer", ein
zerbrochenes Höhenleitwerk und einige
Risse in der Bespannung. Dennoch konnten
am nächsten Tag weitere Versuche
unternommen werden, wobei mit dem
Schwerpunkt und dem Anstellwinkel des
Leitwerkes experimentiert wurde. Das
Ergebnis unterschied sich jedoch nicht
wesentlich von dem des Vortages, so dass
es nötig erschien,
1) einen stärkeren Motor einzubauen,
2) die Ruder vom vorderen Höhenleitwerk
auf die hinteren Stabilisierungsflossen
zu verlegen und
3) das vordere Höhenruder stillzulegen.
Durch die vorgenommenen Änderungen
konnte der Steigflug in ca. 10 m
Flughöhe durch einen
Tiefenruderausschlag beendet, der
anschließende Sinkflug jedoch nicht mehr
abgefangen werden. Die Landung ließ sich
dank der Reaktion auf "Höhe"
etwas weicher als die der Vortage
gestalten. Auch eine Wirkung der
"Querruder" konnte bei diesem
nur wenige Sekunden dauerndem Flug
festgestellt werden. Wiederum wurden
Schwerpunkt und Anstellwinkel variiert,
wobei sich jedoch keine signifikante
Änderung des Flugverhaltens ergab. Das
Modell ließ sich trotz voller
Motorleistung aus einem einmal
eingetretenen Sinkflug nicht mehr
abfangen, weshalb nochmals ein Umbau
erforderlich schien.
Da das Drehmoment des Motors kein Problem
darstellt, konnte eine Umrüstung auf den
Antrieb mit einem 1,7 ccm
Verbrennungsmotor erfolgen. Die
Umbauarbeiten nahmen einige Zeit in
Anspruch, weil der Motor innerhalb des
Ringflügels sitzt und daher kaum mehr
mit normalem Werkzeug zu erreichen ist.
Die bedeutend höhere Motorleistung und
eine Gewichtsersparnis von 50 g ließen
eine optimistische Erwartung für den
nächsten Probeflug zu. Der Start verlief
genau wie mit dem Elektro-Motor, der nach
dem Andrücken eingetretene Sinkflug
konnte jedoch durch etwas Ziehen wieder
abgefangen werden. Die an diesem Tag
vollzogenen Flüge bewiesen, dass das
Modell tatsächlich flugfähig und voll
steuerbar ist. Leider konnten wieder
nicht alle geplanten Versuche
durchgeführt werden, da aufgrund der
etwas eigenartigen Flugeigenschaften
saubere Landungen nicht einfach sind.
Aufgrund des geringen Gewichtes des
Modells halten sich jedoch die
Beschädigungen bei mißglückten
Landungen im Rahmen, so dass die AERODYNE
meist ein paar Tage später wieder
startklar ist.
Der nächste Einsatz des Modells erfolgte
im Rahmen der INTEREX '92 in Coesfeld, wo
trotz ungünstiger Windverhältnisse die
Flugtauglichkeit unter Beweis gestellt
werden konnte. Bei diesem Flug, der das
erste Mal deutlich länger als nur ein
paar Sekunden ausfiel, zeigte sich, dass
die AERODYNE seitenwindempfindlich ist
und auch urplötzlich dazu neigt, nach
rechts wegzudrehen, was jedoch durch
einen kräftigen Querruderausschlag
ausgesteuert werden kann. Die Landung
gegen Wind gestaltete sich dagegen
unproblematisch, obwohl sehr feinfühlig
mit Gas und Höhe "gespielt"
werden mußte, um die
Landegeschwindigkeit möglichst niedrig
zu halten und ein zu starkes Durchsacken
zu vermeiden. Alles in allem konnte diese
erste öffentliche Flugvorführung der
AERODYNE als voller Erfolg gewertet
werden, der allerdings erst ein Jahr
später auf der Interex ´93 im
holländischen Nederweert mit dem Pokal
für die originellste Idee belohnt wurde.
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Resümee
Die AERODYNE ist ein "echtes
Experimentalmodell", bei dem noch
viele Flugversuche nötig sein werden, um
zufriedenstellende Flugeigenschaften zu
erzielen. Ob diese jemals erreicht
werden, ist noch fraglich, doch ist nicht
gerade das Ungewisse an einem
Experimentalmodell das Interessante?
Sicherlich wird bei einem Modell wie dem
hier beschriebenen nie die Flugleistung
eines herkömmlichen Modells erreicht
werden können, aber das ist auch gar
nicht das Ziel! Zu einem ungewöhnlich
aussehenden Modell gehören
ungewöhnliche Flugeigenschaften, und
wenn überhaupt ein gesteuerter Flug
möglich ist, kann das schon als Erfolg
gewertet werden, der die Mühe des Bauens
lohnt. Zeigt sich dann noch von Versuch
zu Versuch ein (noch so kleiner)
Fortschritt, macht jede Reparatur und
Umkonstruktion erst richtig Spaß. In
diesem Sinne wird die AERODYNE sicherlich
noch viele weitere Tests absolvieren,
wobei die eine oder andere Blessur des
Modells wohl oder übel in Kauf genommen
werden muß.
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